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Resistenzzüchtung

Artikel und Links zur Resistenzzüchtung
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Warum wurden pilztolerante Rebsorten gezüchtet (gekreuzt)?
Oberstes Ziel bei der Züchtung von PIWIS (=pilztolerante Rebsorten) ist es, die Qualität der Weine der europäischen Vinifera-Rebsorten mit der Resistenz von amerikanischen Rebenarten gegen verschiedene Krankheiten zu kombinieren. Durch widerholte Rückkreuzungen mit den Europäerreben gelang es, die positiven Geschmackseigenschaften unter Beibehaltung der Resistenzeigenschaften anzuhäufen. In der letzten Zeit kommt zu dem Wunsch nach weniger Pflanzenschutzmaßnahmen auch noch der Wunsch nach einem möglichst niedrigen CO2-Fingerprint als weitere Anforderung hinzu.

Geschichte der PIWIs:
Die Stammbäume der heute verbreiteten pilztoleranten Rebsorten wie Regent oder Johanniter reichen weit zurück. Schon 1880 stellte man in Frankreich die ersten E x A (Europäer x Amerikaner)-Kreuzungen her. Diese ersten Sorten waren zwar sehr krankheitsrobust, aber vom Weingeschmack her noch sehr gewöhnungsbedürftig, da noch sehr viel wildes Genmaterial aus den Amerikanischen Rebsorten enthalten war. Aus dieser Zeit rührt heute noch ein geschmacklich negatives Image dieser Sorten der ersten Generation her. Beispiele sind Marechal Foch, Seyval blanc, Aris, Siegfriedrebe, Vidal blanc. Alle genannten Sorten haben auch heute noch eine gewisse Bedeutung, meist in den eher jungen nördlichen Weinbauregionen, der Schweiz und bei der Eisweinproduktion.
Die Rebsorten der zweiten Stufe zeichnen sich durch deutlich verbesserte Geschmackseigenschaften aus. Zunächst kamen Sorten wie Orion, Bronner, Merzling, Sirius, Hibernal, Sibera, Serena und Phoenix in die weinbauliche Praxis.
Es folgten Sorten einer weiter geschmacklich verbesserten und heute zunehmenden dritten Gruppe, die sich geschmacklich nicht mehr negativ von den europäischen Sorten unterscheiden. Dazu gehören Johanniter, Allegro, Bolero, Accent, Regent, Helios, Saphira, Solaris, Muscaris, Souvignier gris, Cabernet Cortis, Cabernet Cantor, Baron, Prior, Cabernet blanc, Cabertin, Pinotin, Cabernet noir usw.
In den letzten Jahren kamen weitere Kreuzungen hinzu, die vor allem auf die Verbesserung der Resistenzeigenschaften gegen echten Mehltau (Oidium) hinzielen. Neue Genpools wurden mehr und mehr eingekreuzt wie z.B. das Erbgut der Amerikanischen Muscadinia-Arten, die zusätzliche Abwehreigenschaften gegen virusübertragende Fadenwürmer (Nematoden) sowie Mehltauresistenzen aufweisen. Weitere Zuchtziele sind Lockerbeerigkeit, Dickschaligkeit Blütestabilität, aufrechter Wuchs sowie die Qualität der Weine. Man versucht dabei eine „Pyramidisierung“ der Resistenzen zu erreichen, d.h. möglichst viele Resistenzen an verschiedenen Genorten in den Chromosomen anzuhäufen. Eine Vielzahl dieser Sorten hat noch keine Namen und ist derzeit noch in Anbauversuchen. Zahlreiche stehen im großen Prüffeld der Rebenveredlung Antes in Heppenheim, der derzeit wohl größten Vergleichsanlage solcher Sorten in Deutschland. Dazu gehören z.B. We 88-101-13, Gm 9224-2, Gm 9620-5, Gm 8107-3, Calardis blanc, Cal 6-04, Divico, Fr 628-2005, Fr 629-2005, Fr 630-2005, Fr 631-2005, Fr 632-2005 u.a..

Die Verbreitung von Piwis:
Derzeit am weitesten verbreitet sind die Sorten Regent, Rondo (vor allem im nördlichen und östlichen Ausland). Aktuelle Aufsteiger sind Solaris, Johanniter, Cabernet Cortis, Muscaris, Cabernet blanc und sehr deutlich Souvignier gris. Nachdem pilztolerante Sorten zunächst in den nördlichen und östlichen Nachbarländern stark zugenommen haben (teilweise über 90 % Anteil an den Pflanzungen) ist jetzt auch in den traditionellen Ländern ein gewisser Dammbruch zu verzeichnen, nachdem solche Sorten in (Ober-)Italien und jetzt auch in Frankreich entdeckt und zugelassen worden sind. Am schwersten tun sich immer noch die deutschen Verbraucher mit den neuen Sorten, da hier traditionell viel Wert auf die Rebsortenbezeichnung gelegt wird und die neuen Namen leider oft sehr gewöhnungsbedürftig sind. Dies erfordert einen hohen Beratungsaufwand beim Verkauf. In Rheinland-Pfalz betrug daher der Anteil der PIWIs im Jahr 2017 erst rund 3 %. Das Pilzjahr 2016 hat aber auch hier Bewegung gebracht, da vor allem Bio- und Ökobetriebe zunehmend auf diese Sorten im Anbau zurückgreifen müssen, um einerseits der mit dem Klimawandel zunehmenden Pflanzenschutzproblematik entgegenzuwirken und zugleich die durch die vielen Pflanzenschutz-Durchfahrten negative CO2-Bilanz aufzubessern.

Einen überraschenden Imagewandel vollzieht zur Zeit die Sorte Hibernal, die viele Jahre wegen geschmacklicher „Fehltöne“ verpönt war. Jetzt ist sie im Zuge des Sauvignon blanc – Booms „wiederentdeckt“ worden, da die Weine genau dieses Geschmacksbild haben.

Probleme und Nachteile (Beispiele)
Wie schon gesagt ist in Deutschland das Hauptproblem der Piwis die Namensgebung. Häufig versuchen die Züchter daher klassische Wortbestandteile mit modernen Begriffen zu mixen („Cabernet.., gris, noir, blanc) um eine gewisse Tradition der Rebsorte „vorzutäuschen“. Noch besteht aber auch weinbaulicher Verbesserungsbedarf bei den Piwis. Im praktischen Anbau gibt es noch vereinzelte Probleme, die sich jedoch meist durch entsprechende weinbauliche Maßnahmen verhindern lassen:
1) Zunächst reicht die Resistenz meist nur zu einer Reduktion der Pflanzenschutzmaßnahmen aus (Bsp. Regent). Bei den meisten Sorten sind immer noch 2-3 Maßnahmen rund um die Blüte zu empfehlen. Ein „Nullpflanzenschutz“ ist derzeit (noch) nicht denkbar.
2)
Manche Sorten haben auch Blüteprobleme und neigen zu Verrieslungen (Cabernet Blanc), was eine Verwendung schwachwachsender Unterlagen nahelegt.
3) Andere neigen zu Stiellähme
und müssen daher bezüglich der Magnesiumversorgung besonders behandelt werden (Cabernet Cortis, Cabertin).
4) Kompaktheit wie beim Johanniter kann zu Rohfäule oder Edelfäule führen.
5)
Wespenfraß und frühe Essigfäule ist beim Phönix das Problem.
6) Andere Sorten haben zwar gute Resistenzen gegen die Mehltaukrankheiten, haben aber keine Resistenz gegen Roten Brenner (Prinzipal, Johanniter).
7) Ausgerechnet in den problematischen Steillagen haben auch einige Sorten mit der Schwarzfäule-Problematik zu kämpfen.
8)
Bei Regent, Rondo, Bolero, Monarch ist in den letzten Jahren ganz neu das Problem des Kirschessigfliegenbefalls hinzugekommen.
9)
Spätere Reife ist ebenfalls im Zeitalter des Klimawandels ein wünschenswertes Ziel. Viele der heute verbreiteten Piwis sind (zu) früh, daher für nördliche Regionen und späte Lagen zwar sehr gut geeignet. Für die klassischen Steillagen und daher meist sehr guten und frühen Standorte fehlt es noch etwas an der Auswahl. Daher liegen derzeit große Hoffnungen auf der Sorte Calardis blanc oder auf den Geisenheimer und Freiburger Nummernsorten, die hoffentlich Riesling und Cabernet-ähnliche Weine hervorbringen werden.
10)
Im Focus unserer osteuropäischen Kunden ist vor allem das Thema der Winter- und Spätfrosttoleranz. Eine erste Bachelorthesis, die in unserer großen Piwi-Vergleichsanlage angefertigt wurde, hatte daher bereits im ersten Standjahr dieses Thema im Focus.

Im ersten Ertragsjahr der Anlage 2016 konnten wir erste Auswertungen bezüglich mancher Sorteneigenschaften vornehmen, über die wir bald an dieser Stelle berichten werden.

Erste Fotoserien dazu haben wir bereits in Facebook veröffentlicht.


Demnächst mehr…


Weitere Literatur zum Thema:

Dr. Rudolf Eibach in Labor and more: Geschichte der Resistenzzüchtung bei Reben (externer Link)

resistente Rebsorten (externer Link, Vitipendium)




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